Verhinderungs- und Kurzzeitpflege: Wenn Angehörige mal nicht können
Wichtige Leistung der Pflegeversicherung
Die Pflege vieler pflegebedürftiger Menschen übernehmen deren Angehörige direkt zu Hause. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, gab es Ende 2019 4,1 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland. Davon wurden 2,1 Millionen Menschen mit Pflegegrad 2 bis 5 allein durch Angehörige zu Hause versorgt – also mehr als die Hälfte aller Pflegebedürftigen in Deutschland (51,3 Prozent). In Baden-Württemberg lag der Anteil mit 55,3 Prozent bundesweit sogar am höchsten.
Somit sind die pflegenden Angehörigen der „Größten Pflegedienst der Nation“. Umso wichtiger sind Entlastungsangebote, um an dieser schweren körperlichen Arbeit langfristig nicht selbst zu erkranken. Neben den allgemeinen Leistungen bietet die Pflegeversicherung auch ein zusätzliches Angebot in Form der Verhinderungs- oder der Kurzzeitpflege.
Auch Frau P. pflegt ihren Mann nach seinem Schlaganfall nun schon seit vier Jahren zu Hause. Er hat Pflegegrad 4 und ist in allen Bereichen des Lebens auf Hilfe angewiesen. „Selbst zum Einkaufen nehme ich ihn mit dem Rollstuhl mit, was mir aber zusehends schwerer fällt“, erzählt sie im Gespräch mit der VdK Patienten- und Wohnberatung Baden-Württemberg.
Verhinderungspflege für die Urlaubszeit
Nun hat ihr ihre Tochter angeboten, zum zweiwöchigen Familienurlaub an die Ostsee mitzukommen. „Sie ist der Meinung, dass es mir mal guttäte, raus zu kommen“, erzählt Frau P. „Aber wer versorgt in dieser Zeit meinen Mann? Ich will ihn auf keinen Fall in ein Heim geben“, fährt Frau P. fort.
Patientenberaterin Monika Müller erklärt ihr, dass sie in diesem Fall bei der Pflegekasse Verhinderungspflege beantragen kann. Diese gibt es bis zu einem Betrag von 1.612 Euro. Er kann dazu verwendet werden, sich eine „Ersatzpflege“ zu besorgen.
Dazu werden für diesen Zeitraum das Pflegegeld sowie ein Anspruch aus der Kurzzeitpflege (sofern dieser im laufenden Jahr noch nicht genutzt wurde), anteilig ausbezahlt – jedoch nur bis zu einem Maximalbetrag von 806 Euro. Dies entspricht 50 Prozent der Leistung für die Kurzzeitpflege. „Da kommt eine ordentliche Summe zusammen mit der es sicher möglich, ist die Pflege zu Hause für 14 Tage zu organisieren“ meint Monika Müller.
Pflegekasse übernimmt Verdienstausfall
Frau P. hat aber nach wie vor Bedenken. „Bei der Verhinderungspflege müssen sie keinen Pflegedienst beauftragen“, beruhigt Müller. Denn Pflege kann auch ein Verwandter, eine Freundin oder die Nachbarschaftshilfe übernehmen. „Könnte dann auch meine Schwester bei uns für diese Zeit einziehen und meinen Mann versorgen?“ möchte Frau P. wissen.
„Meine Schwester ist zwar berufstätig, hatte mir aber schon mal angeboten, frei zu nehmen, so dass ich mal eine Auszeit nehmen kann“. „Na das ist doch ein tolles Angebot von Ihrer Schwester,“ betont Müller und ergänzt: „Wenn sie für diese zwei Wochen unbezahlten Urlaub nimmt, können ihr Verdienstausfall und ihre Reisekosten im Rahmen der Verhinderungspflege geltend gemacht werden“.
Die VdK-Patientenberaterin gibt ihr sogleich den Tipp: „Es ist durchaus sinnvoll sofort einen Antrag bei der Pflegekasse zu stellen und den Dienstausfall und die Reisekosten geltend zu machen. So können Sie sehen, ob Sie noch Geld zur Verfügung haben, um eventuell zusätzliche Leistungen wie Duschen oder Baden durch einen Pflegedienst erbringen zu lassen“. Dann hätte die Schwester ein wenig Entlastung im Tagesablauf.
Kombination der Pflege durch Angehörige und Pflegedienste
Ein weiterer hilfreicher Hinweis: „Wichtig ist sicher, dass Sie Ihren Mann in die Entscheidung mit einbinden“. Dies bestätigt Frau P. und sagt: „Mein Mann findet es wichtig, dass ich mit unserer Tochter in Urlaub fahre. Er kann sich auch vorstellen, dass meine Schwester in diesem Zeitraum bei ihm ist, aber Waschen lassen möchte er sich nicht so gern von ihr“. Da ist gut, dass zum Waschen einfach ein Pflegedienst kommen kann. „Uns war nicht bewusst, dass man die Pflege so variabel gestalten kann“, so Frau P.
Entlastungsbetrag nutzen!
Monika Müller hat sogar noch einen weiteren Tipp parat: „Auch den zusätzlichen Entlastungsbetrag von 125 Euro pro Monat können Sie noch einplanen. Wenn Sie diesen in diesem Jahr noch nicht genutzt haben – selbst rückwirkend für alle Monate des laufenden Jahres“.
Weitere Informationen
Im Rahmen der Pflegeversicherung gibt es viele Leistungen, die bei Bedarf und bestimmten Voraussetzungen in Anspruch genommen werden können. Eine gute Übersicht bieten die Infobroschüren des Bundesgesundheitsministeriums mit den Titeln „Ratgeber Pflege“ und „Pflegeleistungen zum Nachschlagen“. Sie können diese telefonisch unter der Nummer 030 182 722 721 bestellen oder online herunterladen: