„Den Frauen reicht die Rente oft nicht zum Leben“
Die meisten Frauen haben ihr Leben lang hart gearbeitet. Und doch reicht vielen die Rente nicht zum Leben. Elisabeth Knebel kennt die Geschichten der Frauen genau: Sie hilft zweimal in der Woche in der Sprechstunde mit und ist eng im Austausch mit ihren Mitgliedern. Und eines ist für sie ganz klar: Die Situation spitzt sich zu, die Altersarmut, insbesondere die Altersarmut der Frauen in Deutschland, steigt. Warum das so ist, was die Ursachen sind – gestern und heute – erzählt sie hier im Interview.

Altersarmut von Frauen – ein Gespräch mit Elisabeth Knebel, VdK-Bezirksfrauenvertreterin in Nordbaden
Elisabeth Knebel, Sie sind schon jahrelang aktiv im Sozialverband VdK, beraten ehrenamtlich zu Rente, Pflege und Behinderung. Viele Frauen vertrauen Ihnen ihre Geschichte an. Welche Geschichte bewegen Sie?
Mich macht es traurig, wenn Frauen ihr Leben lang hart gearbeitet haben, eine Ausbildung, ein Studium gemacht, dann gearbeitet, sich um Kinder gekümmert haben, um ihre pflegebedürftigen Eltern und Schwiegereltern, im Betrieb ihres Mannes ausgeholfen haben. Und was bleibt ihnen im Alter? Sie sind arm und wissen nicht, wie sie über die Runden kommen sollen.
Und besonders traurig ist, meist schämen sich diese Frauen nach so einem arbeitsreichen Leben auch noch für ihre Armut. Meist sind sie ganz besonders adrett zurecht gemacht, Haare hübsch frisiert, mit schöner, natürlich sauberer Kleidung aus dem Diakonieladen und sie kommen im Kreisverband zur Beratung. Nicht direkt im Ortsverband in Wiesental. Da könnte sie ja jemand erkennen.
Ist Ihnen eine Geschichte besonders in Erinnerung geblieben?
Ja, die einer älteren Frau. Das ist schon eine Weile her. Sie hatte nie offiziell gearbeitet, es gab keine Betreuungsmöglichkeit für ihre drei Kinder. Wir dürfen diese Frauen niemals verurteilen. Man muss sich das vorstellen: Der Kindergarten, die Grundschule ging bis zwölf Uhr. Und bis 1977 brauchten die Frauen noch die Zustimmung ihres Mannes, wenn sie arbeiten wollten.
Es gab sogar Ehevorbereitungskurse für die Frauen. Da hat man dann gelernt, wie man ihm die Hausschuhe schön hinstellt. Das war eine ganz andere Zeit. Die Männer wollten die Frauen für sich haben. Wir können heute nicht einfach sagen, das hätte ich so niemals gemacht.
Und ja, in dieser Zeit lebte diese Frau, an die ich mich noch gut erinnere. Sie saß ganz verzweifelt in meiner Beratung und wusste nicht, wovon sie leben sollte. Sie hatte nur schwarz ein bisschen gearbeitet, nie in die Rentenkasse eingezahlt. Und jetzt war die Waschmaschine kaputt. Und dann hat sie mich gefragt, ob sie für mich putzen darf? Diese Geschichte bewegt mich noch immer.
Welche Umstände führen in die Altersarmut?
Lange Kindererziehungszeiten und die Pflege der Angehörigen führen in Armut.
Aber was auch ein riesiger Armutsfaktor ist: Die Scheidung. Wie häufig habe ich Frauen hier in der Beratung, die sich viel zu sehr darauf verlassen haben, dass die Ehe schon halten wird. Und das meine ich überhaupt nicht als Vorwurf. Doch wenn ich dann verlassen werde, und nicht selbst, am besten Vollzeit, gearbeitet habe, dann stehe ich da mit einer kleinen Rente, die nicht zum Leben reicht. Das geht ganz vielen Frauen so.
Eine Armutsfalle für Frauen ist außerdem die Selbstständigkeit des Mannes. Er hat einen kleinen Betrieb, der läuft gut, und ich mache ihm das Büro. Ohne Bezahlung. Denn wir sind ja verheiratet. Und dann lernt der Mann eine Jüngere kennen und rechnet den Gewinn seines Betriebs so herunter, dass er mir als Exfrau nichts zahlen muss. Diese Geschichte habe ich so ganz häufig bei mir in der Beratung.
Diese Geschichten, hören Sie die von Frauen aus allen Schichten?
Ganz klar: Ja. Bei mir sitzen Akademikerinnen, die ein tolles Studium abgeschlossen haben und dann, wegen der Kinder, nie wieder gearbeitet haben. Die quasi nie in den Beruf eingestiegen sind und den Wiedereinstieg nach den Kindern dann auch nicht geschafft haben. Die sind genauso finanziell abhängig von ihren Männern.
Die jungen Frauen heute: Die sorgen doch aber sicher besser vor?
Das ist nicht unbedingt mein Eindruck, nein. Auch heute verlassen sich immer noch viel zu viele Frauen finanziell auf ihre Männer. Mein ganz klarer Rat an die jungen Frauen ist: Nutzt die Betreuungsmöglichkeiten für eure Kinder. Bleibt immer mit einem Bein im Beruf. Macht eure Ausbildung, euer Studium fertig und steigt in euren Beruf ein.
Arbeitet nicht zu lang nur in Teilzeit. Helft eurem Mann im Betrieb nicht schwarz aus. Besteht darauf, dass er euch anmeldet! Und den älteren Frauen sage ich: Schämt euch nicht. Sucht Kontakt. Guckt, dass ihr unter die Leute kommt. Sucht euch angenehme Gesellschaft. Es geht so vielen Frauen so wie euch!
Und was wünschen Sie sich von der Politik?
Auf jeden Fall müssen die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder weiter ausgebaut werden. Und dass die Mütterrente jetzt angeglichen wird und endlich alle Mütter für jedes Kind drei Rentenpunkte bekommen sollen, ist sicherlich auch ein Schritt in die richtige Richtung. Doch mir macht Angst, dass große Unternehmen ihre Frauenquote aufgeben! Aus Sorge vor Trump und dem US-Amerikanischen Absatzmarkt.
Und auch hier: Die Rechtsextremen hätten uns Frauen auch am liebsten wieder hinterm Herd. Dann könnten wir uns schön um die Hausschuhe unseres Mannes kümmern! Wir haben so für die Frauenrechte gekämpft, wir müssen aufpassen, dass uns diese Rechte nicht wieder aberkannt werden.
Zur Person
Elisabeth Knebel ist Frauenvertreterin des VdK-Bezirks Nordbaden und VdK-Ortsverbandsvorsitzende in Wiesental.
Seit 1995 ist die gelernte Krankenschwester Elisabeth Knebel Mitglied des Sozialverbands VdK Baden-Württemberg, hilft zweimal wöchentlich in der Sprechstunde im Kreisverband mit, bietet im Ortsverband eine Sprechstunde an. Sie ist ehrenamtliche Richterin am Sozialgericht Karlsruhe und hat einen Sohn.
