Ausflugsziele und ihre Barrierefreiheit
Eine Welt, in der jede Achterbahnfahrt, jede Show und jeder Moment für alle zugänglich ist – in zahlreichen Hochglanzbroschüren gibt es das schon. Die Realität sieht leider anders aus. Michael Töller von Freizeitpark-Erlebnis testet gemeinsam mit Menschen mit Behinderung Ausflugsziele auf ihre Barrierefreiheit. Seine wertvollen Erfahrungen teilt er im Netz.
Barrierefreiheit ist ein Menschenrecht. Die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben lässt jedoch vielerorts auf sich warten. Einfach mal spontan mit dem Zug in die nächstgelegene Stadt fahren? Kaum zu glauben, aber für Menschen im Rollstuhl ist das auch heute noch so gut wie unmöglich. Dabei gibt es das Behindertengleichstellungsgesetz (BGGkurz fürBehindertengleichstellungsgesetz) seit über 20 Jahren.
Barrieren abzubauen, ist der erste Schritt, um Teilhabe für alle zu ermöglichen. Nicht nur in Arztpraxen, Krankenhäusern und Supermärkten. Denn Teilhabe muss überall möglich sein – und der Besuch von Zoo, Kino, Freizeitpark und Co. auch für Menschen im Rollstuhl und mit einer Behinderung eine Selbstverständlichkeit.
Mit dem Rollstuhl in die Achterbahn? Diese Frage stellt sich Michael Töller gar nicht mehr – er probiert es aus! Zusammen mit Menschen mit Behinderung testet er Ausflugsziele auf Barrierefreiheit, erkundet verschiedene Erlebnisse und veröffentlicht die Erfahrungen unter Externer Link:www.freizeitpark-erlebnis.de. In der Reihe „Wie barrierefrei ist …“ haben er und sein Team bereits zwei Freizeitparks und ein Indoor-Skydiving getestet. „Aktuell begleiten wir den Movie Park Germany bei der Umsetzung der Barrierefreiheit. Hier haben wir bereits mehrere Drehtage vor Ort durchgeführt. Die Dokumentation soll im Winter 2024 erscheinen“, berichtet Töller, der als alleinerziehender Vater mit seinem Sohn schon zahlreiche Freizeitparks besucht hat. Irgendwann machte er schließlich das Hobby zum Beruf. Das Thema Barrierefreiheit kam später dazu: „Wir haben Tim kennengelernt, der im Rollstuhl sitzt. Er fragte mich, ob ich mal mit ihm Achterbahn fahren würde, denn das wünscht er sich seit Jahren. Ich wollte ihm den Wunsch gerne erfüllen.“
Test auf Barrierefreiheit
Gemeinsam mit den Betroffenen erkundet Töller Ausflugsziele in ganz Europa. Das Team Barrierefreiheit besteht aus festen Mitarbeitern, freiwilligen Helfern und Betroffenen. Für sie alle ist es ein Herzensprojekt, in das sich auch ehemalige Mitarbeiter weiter einbringen. Töller: „Wir haben alle so viel gelernt und gehen mit einem anderen Blick durchs Leben. Die vielen Barrieren fallen uns auf und so bekommen wir täglich neue Impulse und Ideen. Die Chance etwas zu verändern, motiviert uns alle sehr.“
Bei der Überprüfung der Barrierefreiheit testet das Team zum Beispiel die Zugänglichkeit für Rollstuhlfahrer, die Informationsbereitstellung für Gehörlose oder die Nutzbarkeit für Blinde oder Menschen mit geistiger Behinderung. „Die Herausforderungen und Anforderungen können je nach Zielgruppe sehr unterschiedlich sein“, führt Töller aus.
Das gemeinsame Ziel ist ein barrierefreies Erlebnis für alle Menschen. Hierfür widmet er sich nicht nur den großen, sondern auch den kleinen Barrieren. „Eine kleine Rampe hier oder dort hilft auch Menschen mit Rollator oder Kinderwagen“, stellt Töller fest und hebt hervor, dass Barrierefreiheit nicht zwangsläufig etwas mit Menschen und deren Behinderung zu tun habe: „Der Abbau von Barrieren hilft allen Menschen!“
Dafür geht Töller mit den besuchten Unternehmen in den Austausch, informiert über die bestehenden Barrieren und stellt mögliche Lösungen vor. Doch die Überprüfung der Barrierefreiheit sei laut Töller keine einmalige Aktion: „Es ist wichtig, dass getestete Unternehmen dies als kontinuierlichen Prozess sehen und sich regelmäßig Feedback einholen.“ Deswegen bleibt das Team nach den Dreharbeiten im Kontakt mit den Unternehmen.
Probleme der Barrierefreiheit in Deutschland
Leider sieht er vor allem in Deutschland noch Verbesserungspotenzial. Töller berichtet, dass im Ausland „scheinbar vieles besser funktioniert. Bei unseren Besuchen mit Tim im Toverland, Efteling oder Disneyland Paris sind diese Freizeitparks besonders positiv aufgefallen. Hier hatten wir schöne Momente. Wir haben auch andere Betroffene gesehen, die den Spaß ihres Lebens hatten. Die Mitarbeiter wirken besser geschult und gehen auf die Menschen mit Behinderung positiv ein.“ Töller ist jedoch optimistisch, denn auch in Deutschland nehmen sich immer mehr Ausflugsziele dem Thema Barrierefreiheit an.
Als typische Schwachstellen nennt Töller einerseits die Internetauftritte der Ausflugsziele und kritisiert, dass die Informationen zu Parkmöglichkeiten, Eintrittspreisen und mehr für Menschen mit Behinderung oft nur sehr schwer oder gar nicht zu finden seien. Außerdem führten fehlende Strukturen, Schulungen und Erfahrungen bei den Mitarbeitern häufig zu Unsicherheiten und Berührungsängsten. „Weitere Schwachstellen sind mit Sicherheit die sehr verschiedenen Regeln in den einzelnen Freizeitparks. Was in einem möglich ist, muss in einem anderen noch lange nicht möglich sein. Einheitliche Regelungen wären mit Sicherheit hilfreich für alle“, schlägt Töller vor.
Tipp für Ausflüge
Eine gute Vorbereitung auf den Besuch im Freizeitpark sei daher essenziell. „Zum Beispiel kann der Ausgang einer Attraktion häufig als Eingang von den Menschen mit Behinderung genutzt werden“, weiß Töller. Aktuelle Informationen stehen inzwischen bei vielen Anbietern in einer eigenen App zur Verfügung. Diese sollte daher vorab auf dem Smartphone installiert werden. Oft ermöglichen diese Apps zudem die Nutzung besonderer Extras vor Ort wie eine virtuelle Warteschlange.
Kontakt
Das Team von Freizeitpark-Erlebnis unterstützt Menschen mit Behinderung und deren Familien gerne bei der Planung ihres Ausflugs in einen Freizeitpark. Die Kontaktaufnahme ist per E-Mail an Externer Link:team-inklusion@freizeitpark-erlebnis.de möglich.