Kategorie Sozialpolitik Pflege

Versorgung in der Pflege massiv gefährdet: Eine Pflegereform, die keine ist!

Von: R. Schwarz
  • Pflege-Alarm in der stationären und ambulanten Pflege
  • VdK Baden-Württemberg erneuert Appell zur Bürgervollversicherung in der Pflege

In Baden-Württemberg werden mehr als 80 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause von ihren Angehörigen versorgt. Für eine bessere Unterstützung der pflegenden Angehörigen hatte der Sozialverband VdK die Kampagne #naechstenpflege ins Leben gerufen und Forderungen an die Politik gestellt. Im kürzlich verabschiedeten Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) wurden diese jedoch kaum berücksichtigt. Das Gesetz verfehlt das selbstgesteckte Ziel, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen besser zu unterstützen. Die Ampel konnte sich zu keiner grundlegenden Reform durchringen.

Nahaufnahme des nicht erkennbaren Mannes auf dem Rollstuhl im Krankenhaus und Krankenschwester schieben Rollstuhl, während Partner lehnt sich Hand auf Schulter
© iStock.com/Hispanolistic

„Die Erhöhungen des Pflegegeldes und der Sachleistungen sind bei weitem nicht ausreichend, um den Kaufkraftverlust seit der letzten Erhöhung 2017 annähernd auszugleichen“, erklärt der VdK-Landesverbandsvorsitzende Hans-Josef Hotz. So wäre bei den derzeitigen Preissteigerungen statt der beschlossenen 5 Prozent eine Erhöhung von über 16,5 Prozent notwendig gewesen. Zudem fehlt das versprochene Informationsportal zu freien Kapazitäten und Plätzen in der ambulanten und stationären Pflege. „Nun müssen sich alle weiter die Finger wund wählen, um Hilfe und Unterstützung zu bekommen“, kritisiert Hotz das PUEG weiter.

Auch den VdK-Landesverband Baden-Württemberg erreichen immer häufiger verzweifelte Anrufe seiner Mitglieder, die auf der Suche nach freien Pflegeheimplätzen oder Unterstützung in der häuslichen Pflege durch Pflegedienstleister sind. „Die Nachfrage ist bei weitem höher als das Angebot“, erklärt der VdK-Landesverbandsvorsitzende. „Der Anbieter kann in diesem Fall natürlich auswählen, wen er aufnimmt oder betreut.“ Bei steigenden Kosten und stagnierenden Einnahmen fällt die Entscheidung im Zweifel auf den vorteilhafteren Fall. Dies belastet das Gesundheitssystem sogar doppelt: Krankenhäuser können pflegebedürftige Patienten erst entlassen, wenn diese einen Platz in der Kurzzeitpflege finden.

Der VdK Baden-Württemberg sieht daher die Versorgung in der Pflege massiv gefährdet und verlangt eine Reform, die ihren Namen tatsächlich verdient. Höhere Beitragssätze sind keine Lösung. Es muss jetzt endlich gehandelt und die Finanzierung der Pflege langfristig sichergestellt werden. Der VdK-Landesverband fordert daher eine Pflegevollversicherung: Das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Pflegeversicherung muss sofort beendet werden, denn beide bieten identische Leistungen an. Dennoch verfügt die private Pflegeversicherung über ca. 38 Milliarden Euro an Rücklagen, während die gesetzliche Pflegeversicherung zuletzt ein Defizit von 2,2 Milliarden Euro pro Jahr aufwies. „Und das nur, weil die private Pflegeversicherung das deutlich bessere Risiko, wie zum Beispiel besserverdienende Menschen, versichert. Die gesetzliche Pflegeversicherung trägt dagegen alle Risiken – das ist schlicht und einfach unsolidarisch!“, bemängelt Hotz.

Der VdK-Landesverband sieht zudem die Landesregierung in der Pflicht, die Situation in der Pflege zu verbessern und fordert Maßnahmen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels: Um die Angestellten vor Überlastung zu schützen, sind höhere Pflegeschlüssel und verlässliche Arbeitszeiten notwendig. Da mit 84 Prozent ein Großteil der Pflegekräfte weiblich ist, müssen außerdem flexiblere Arbeitszeitmodelle und eine Ausweitung der Kinderbetreuungszeiten ermöglicht werden.

Baden-Württemberg benötigt ebenfalls Unterstützung für die ambulante Pflege. Ein guter Schritt dafür wäre eine Lockerung bei der Inanspruchnahme des Entlastungsbetrags von 125 Euro für Pflegebedürftige. Während andere Bundesländer diesen auch für nachbarschaftliche Nächstenhilfe auszahlen, besteht Baden-Württemberg hier auf professionelle Pflegedienste. Diese sind aber deutlich teurer als Freunde oder Nachbarn, zudem sind sie vollkommen überlastet. Ehrenamtliche in Baden-Württemberg benötigen eine Initiative mit Fachkraft, um ihren Nachbarn im Rahmen des Entlastungsbetrages helfen zu können. Dadurch können viele Pflegebedürftige gar keine Unterstützung über den Entlastungsbetrag in Anspruch nehmen – sie landen auf langen Wartelisten oder bekommen bei einem professionellen Pflegedienst viel weniger Unterstützung.

Durch die Inanspruchnahme stationärer Pflege fallen währenddessen immer mehr Menschen in die soziale Bedürftigkeit. Um die stationäre Pflege zu unterstützen, fordert der VdK-Landesverband deswegen eine Beteiligung des Landes an den Investitionskosten: „Bayern allein investiert für sein Landespflegegeld jährlich über 400 Millionen Euro aus Landesmitteln!“, so Hotz. Im Landeshaushalt von Baden-Württemberg sind hingehen insgesamt nur 17,5 Millionen Euro vorgesehen. „Ein reiches Bundesland kann sich für die Pflege sicherlich mehr leisten!“, betont Hotz.