VdK-Pflegestudie
Nächstenpflege: Alleingelassen und in Bürokratie erstickt.
Landesweite Studienergebnisse für Baden-Württemberg
Die VdK-Pflegestudie offenbart die massiven Defizite in der häuslichen Pflege – bundesweit, aber auch für die Situation in Baden-Württemberg und liefert hierfür erstmals belastbare Zahlen. Wir stellen die landesweiten Ergebnisse der VdK-Pflegestudie vor, welche den Handlungsbedarf und die VdK-Forderungen zum Thema häusliche Pflege belegen. Zuhause lebende Pflegebedürftige und die sie versorgenden Angehörigen benötigen dringend Unterstützung.
Der Wunsch nach Nächstenpflege
Zu Hause alt werden ist der Wunsch fast aller Menschen in Deutschland. Nur 10 Prozent können sich vorstellen, einmal in einem Pflegeheim zu leben. Um die Pflege für die Zukunft zu sichern, muss der Fokus dort liegen, wo die Pflege heute stattfindet – und wo die Menschen auch in Zukunft gepflegt werden wollen: zu Hause, in den eigenen vier Wänden, in der Familie.
Über diesen Pflegeort ist bislang so gut wie nichts bekannt. Der Sozialverband VdK hat deshalb seine 2,1 Millionen Mitglieder befragt:
- Was wünschen sie sich für die eigene Pflege?
- Wie sieht die Pflege bei ihnen zu Hause aus?
- Was hilft ihnen? Was belastet sie?
56.000 Menschen haben an der Online-Befragung im vergangenen Jahr teilgenommen: davon 27.000 pflegende Angehörige und 6.500 Pflegebedürftige. Es ist damit die deutschlandweit größte Befragung zur Nächstenpflege.
Die Auswertung der landesweiten Ergebnisse der VdK-Pflegestudie liefert Erkenntnisse zu folgenden Punkten:
- Häusliche Pflegearrangements und Bedarfslagen
- Erwerbstätigkeit und Pflege
- Unterstützungsleistungen für die häusliche Pflege
- Beratungsmöglichkeiten
- Wohnumfeld und technische Unterstützungssysteme
- Belastungen durch die Pflege
- Zusammenfassende Gesamtbewertung der Pflegesituation
- Erwartungen und Forderungen zur häuslichen Pflege
- Ergebnisse aus der Befragung von Personen ohne Pflegeerfahrung
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Elementare Ergebnisse
Die Belastung durch die Nächstenpflege ist in vielen Fällen hoch.
Nicht zuletzt, weil viele Pflegende selbst schon älter sind und Gesundheitsprobleme haben, die sich durch die Pflegesituation verschärfen. Demenz ist ein zusätzlicher Stressfaktor.
Trotz hoher Belastung werden viele Entlastungsangebote nicht genutzt!
- 82 Prozent der Befragten beziehen Pflegegeld.
- 93 Prozent haben bisher keinen Zugang zur Tagespflege gefunden.
- 86 Prozent haben noch keine Kurzzeitpflege genossen.
- 80 Prozent rufen den Entlastungsbetrag nicht ab.
- 70 Prozent verwenden die zustehende Verhinderungspflege nicht.
- 62 Prozent nutzen keinen Pflegedienst.
Pflege- und Entlastungsleistungen gibt es nicht zum Nulltarif.
Da oft Aufzahlungen notwendig werden, verzichten viele Betroffene darauf. Die Pflegeinfrastruktur ist mangelhaft, häufig findet sich kein Angebot vor Ort und dadurch verfällt der Anspruch. Wegen bürokratischer Hürden verzichten viele auf Leistungen. Ohne Pflegeberatung bleibt für sie der Weg zu Entlastungen oft versperrt.
Das Alter des pflegenden Angehörigen, die Wohnverhältnisse und die Erkrankung des Pflegebedürftigen bestimmen die Wahl der Unterstützungsleistungen.
Die festen Leistungsbeträge richten sich aber nach dem Pflegegrad und nehmen auf die Lebensumstände keine Rücksicht. Das Abrufen der Leistungen wird als willkürlich, starr und bürokratisch wahrgenommen. Das passt nicht zu den individuellen Bedürfnissen.
Für die Zukunft
Die Wünsche für die Zukunft spiegeln die Gegenwart: Mit 62 Prozent haben verheiratete Frauen im Alter zwischen 40 und 60 Jahre, die auf dem Land leben, die höchste Bereitschaft einen Angehörigen zu pflegen. Doch sie brauchen den passenden Rahmen, um zu pflegen, Wahlfreiheit und fachliche Begleitung.
Die Herausforderungen der nächsten Jahre sind immens.
Die Baby-Boomer kommen in einigen Jahren in das Alter, in dem die Pflegebedürftigkeit wahrscheinlicher wird. Der Fachkraftmangel in der Pflege wird sich noch verstärken. Alle Ausbildungs- und Personaloffensiven werden daran nichts ändern können – es ist ein demografisches Problem. Deshalb müssen die Pflegeexperten dort eingesetzt und konzentriert werden, wo sie unabdingbar sind: im Krankenhaus, im Altenheim, in der Intensivpflege. Pflegefachkräfte und pflegende Angehörige dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Nächstenpflege zu stärken ist das Gebot der Stunde.