„Den Patienten eine Stimme geben“
Ein Mittler sei er. Einer, der Patienten, Angehörige, Ärzte und Pflegekräfte zusammenbringt, der Zeit hat zuzuhören – unabhängig und ehrenamtlich. Dieter Kress arbeitet seit 2014 als Patientenfürsprecher und ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Patientenfürsprecher in Baden-Württemberg. Er erzählt im Interview, warum die Patientenfürsprecher im Klinikalltag eine wichtige Rolle spielen, wieso ihre Bedeutung jeden Tag wächst und weshalb er dafür kämpft, dass jedes Krankenhaus im Südwesten verpflichtend einen Patientenfürsprecher haben sollte. Bis jetzt gibt es etwa nur an jeder Vierten der rund 200 Kliniken in Baden-Württemberg einen Patientenfürsprecher.
Herr Kress, was macht ein Patientenfürsprecher und warum ist er im Klinikalltag so wichtig?
Vorweg: Patientenfürsprecher arbeiten ehrenamtlich und unabhängig. Sie stehen also nicht auf der Gehaltsliste des Krankenhauses. Das ist wichtig und die Voraussetzung für unsere Arbeit. Häufig sind Patientenfürsprecher Menschen im Ruhestand: ehemalige Kommunalbeamte, Ärzte, Krankenschwestern, Pfarrer oder Mitarbeiter von Krankenkassen. Sie alle kennen sich im Gesundheitssystem etwas aus und vor allem: Sie lieben die Menschen. Denn, ein Patientenfürsprecher steht den Menschen in einer Klinik zur Verfügung. Das ist seine Aufgabe. Er gibt den Patienten eine Stimme.
Und was heißt das konkret?
In einem Krankenhaus ist die Zeit häufig knapp. Das bringt Patientinnen und Angehörige, aber auch die Ärztinnen und das Pflegepersonal brutal in Not. Wir Patientenfürsprecher haben Zeit. Und es geht eigentlich immer um Kommunikation. Angehörige verstehen die Diagnose nicht, dann vermittele ich das Gespräch, wenn erforderlich auch zum Chefarzt oder zur Klinikleitung. Oder eine ältere Dame mit Demenz hat ihre persönlichen Dinge verlegt, dann forsche ich nach. Oder aber jemand vermutet einen Behandlungsfehler, dann helfe ich bei der Einsicht in die Patientenakte. Oder es gibt einen Konflikt zwischen Patienten und Pflegekraft. Ich bin ja selbst in zwei Kliniken in Göppingen Patientenfürsprecher und meine Erfahrung ist: Das Zuhören allein hilft schon. Die Menschen fühlen sich ernst genommen und wertgeschätzt. Mein Anspruch ist: Möglichst am gleichen Tag eine Lösung zu finden.
Und das klappt?
Ja. Die Rückmeldung erfolgt in der Regel taggleich, wenn man ein gewisses Standing hat. Und das haben wir Patientenfürsprecher, eben weil wir das System entlasten.
Warum hat denn dann nicht jede Klinik in Baden-Württemberg einen Patientenfürsprecher?
Ja, das ist die Frage. Denn die Zeitnot im Krankenhaus wird doch im Zuge des Fachkräftemangels immer noch gravierender und damit wird unsere Arbeit immer noch zentraler. Mit dem neuen Patientenrechtegesetz 2013 wurden die Krankenhäuser bundesweit verpflichtet, ein Beschwerdemanagement einzuführen. Teil dieses Beschwerdemanagements sind die Patientenfürsprecher. Und hier hat Baden-Württemberg den sogenannten bayrischen Weg gewählt und hat die Patientenfürsprecher auf freiwilliger Basis eingeführt. 2016 dann haben die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft und das Sozialministerium allen somatischen Kliniken im Land empfohlen, die Position eines Patientenfürsprechers einzurichten.
Doch heute, im Jahr 2024, haben den Schätzungen unserer Arbeitsgemeinschaft der Patientenfürsprecher nach nur rund ein
Viertel der Kliniken in Baden-Württemberg einen Patientenfürsprecher. Bei unserer Arbeitsgemeinschaft sind 54 Patientenfürsprecher angedockt.
Und was wäre Ihr Wunsch?
Ich bin dafür, dass die Krankenhäuser im Land verpflichtet werden, einen Patientenfürsprecher zu haben. Andere Bundesländer handhaben das auch so. Wir haben eine Initiative gestartet, diese Verpflichtung im Landeskrankenhaus-Gesetz aufzunehmen. Es ist doch so: Mit der Krankenhausreform, eventuell weiteren Anfahrtswegen für die Patienten und damit vielleicht noch weniger Angehörigen vor Ort und dazu dem zunehmenden Fachkräftemangel wird unsere Aufgabe doch immer noch elementarer. Die Patienten brauchen unsere starke, laute und unabhängige Stimme!
Das Gespräch führte Julia Nemetschek-Renz