Kategorie Sozialrecht Erwerbsminderungsrente

Beim Antrag auf Erwerbsminderungsrente ist langer Atem nötig

Hand aufs Herz: Wer ertappte sich nicht schon mal bei dem Gedanken „Wieso hat die eigentlich eine Erwerbsminderungsrente? Kann die wirklich nicht mehr arbeiten?“. Dass man eine Erwerbsminderungsrente (EM-Rentekurz fürErwerbsminderungsrente) nicht einfach so bekommt, ja, dass man mitunter jahrelang dafür kämpfen muss, zeigt dieser Fall aus Pforzheim.

Ein Antrag auf Erwerbsminderungsrente liegt auf einem Tisch, daneben eine Brille und darauf ein Kugelschreiber
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Obwohl die Sache immer noch nicht ausgestanden ist, ist VdK-Mitglied Roswitha T. (Jahrgang 1959) sehr froh über die bisherige VdK-Unterstützung und setzt auch weiterhin auf den VdK-Sozialrechtsschutz. Im Gespräch mit der Redaktion betonte sie: „Ich bin dankbar und froh, dass mir so eine kompetente, zuverlässige und freundliche Mitarbeiterin bei meinem Fall zur Seite steht.“ Die Rede ist hier von VdK-Juristin Anna-Maria Freudenreich aus der Beratungsstelle Pforzheim. Doch der Reihe nach!

Diagnose Mammakarzinom

Bereits im Jahr 2009 wurde bei Roswitha T. ein Mammakarzinom entdeckt. Es folgten 2010 die Brustkrebsoperation mit Amputation und Ersatz durch ein Implantat. In der Folgezeit entwickelte die langjährige Mitarbeiterin eines bekannten Pforzheimer Versandhauses eine Somatisierungsstörung, sprich eine Körperschemastörung, orthopädische Beschwerden, wie eine Skoliose, aber auch eine chronische Lumbago (chronischer Rückenschmerz) und ein myofasciales Schmerzsyndrom (anhaltender Muskelschmerz). Zudem bekam sie eine Depression, die auch eine psychotherapeutische Behandlung erforderte.

Krebs-Therapie und ihre Auswirkungen

Im Jahr 2018 wurde dann eine weitere Brustoperation nötig. In den leidvollen Jahren zwischen beiden Brust-OPs, die zudem stets von der Angst vor der Rückkehr des Krebses gekennzeichnet waren, sollte Roswitha T. bei ihrem Arbeitgeber, wo sie seit 1976 beschäftigt war, so richtig durchstarten! Denn als ehemalige Mitarbeiterin der Exportabteilung, die berufsbegleitend eine Fachhochschulausbildung mit dem Abschluss Gruppenleiterin im Telefonservice und Kundenbetreuung gemacht und danach jahrelang neue Mitarbeiter geschult hatte, sollte sie für ihr Versandhaus im Ausland Schulungen durchführen. Roswitha T., die zuletzt als telefonische Kundenbetreuerin eingesetzt war, lehnte aus gesundheitlichen Gründen schweren Herzens ab. Schließlich war es ihr wegen ihrer zahlreichen massiven Beschwerden weder möglich lange zu sitzen, noch lange zu stehen. Es folgten Krankschreibungen, später der Krankengeldbezug und – wie so oft in solchen Fällen die „Aussteuerung“.

Arbeitslos und berufsunfähig

Es kam sodann die Zeit der Arbeitslosigkeit mit dem Bezug von Arbeitslosengeld I. Doch an eine neue Berufstätigkeit war für Roswitha T. nicht zu denken. Selbst das Jobcenter ging von einer Leistungsminderung auf Dauer aus. Nicht so die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung). Sie lehnte im Jahr 2019 Frau T.‘s Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente ab. Denn, die DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung ging davon aus, dass Roswitha T. sowohl in ihrem letzten Beruf als Kundenberaterin, als auch auf dem Allgemeinen Arbeitsarbeit noch arbeiten könne. Hier sagte die schwer kranke Frau ein weiteres Mal Nein und legte, vertreten durch VdK-Juristin Freudenreich zunächst Widerspruch und dann Klage vor dem Sozialgericht ein. Dazu muss man wissen, dass die Ärzte von Roswitha T. und insbesondere ihre Psychotherapeutin diese Klage unterstützten. Doch, obwohl die Ärztin des Jobcenters bei Frau T. in ihren Gutachten nur noch von einer möglichen Tätigkeit von zwei bis maximal drei Stunden täglich ausging, gelangte die Gutachterin, die durch das Sozialgericht beauftragt wurde, zu der Einschätzung, dass Roswitha T. noch in der Lage sei, „zwischen drei und unter sechs Stunden täglich“ und „unter den üblichen Bedingungen des Allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig“ zu sein.

Teilweise Erwerbsminderung

„Das hat mich am meisten geärgert“, kommentierte das Mitglied im Gespräch mit der VdK-Zeitung diesen Vorgang. „Es wurde hopp-la-hopp entschieden, womöglich ohne die Unterlagen richtig durchzusehen.“ Die Rentenversicherung bot daraufhin einen Vergleich zur Beendigung des Rechtsstreits an, mit der Folge, dass Frau T. eine teilweise Erwerbsminderungsrente auf unbestimmte Zeit erhielt und wegen der Verschlossenheit des Arbeitsmarkts eine volle Erwerbsminderungsrente ab Rentenantragstellung im Juli 2019 bekam, die jedoch bis Ende Januar 2023 befristet ist. Daher ist nun ein Folgeantrag auf EM-Rentekurz fürErwerbsminderungsrente nötig. Zugleich kämpft die mittlerweile 63-Jährige um die Wiedererlangung des Schwerbehindertenausweises. Denn zuletzt hatte sich Roswitha T. aufgrund ihrer sogenannten Heilungsbewährung mit einem Grad der Behinderung von nur 40 begnügen müssen. Dazu muss man wissen, dass es bei Frau T. zwischenzeitlich zu einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes gekommen ist. Es wurde Gebärmutterkrebs festgestellt, so dass Uterus und Eierstöcke operativ entfernt werden mussten. Doch auch diese massive Verschlimmerung der körperlichen und psychischen Verfassung von Roswitha T. ließen die Deutsche Rentenversicherung und letztendlich auch das Sozialgericht noch nicht von ihrer Meinung zur Arbeitsfähigkeit der 63-Jährigen abrücken. Ihr Tumor sei in einem frühen Stadium entfernt worden, hieß es da, weshalb sich noch keine Leistungsfähigkeit von weniger als drei Stunden auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt begründen lasse.

Wie es weitergeht

„Deshalb wurde der Vergleich angenommen und Frau T. wird jetzt einen Weitergewährungsantrag stellen“, betonte Anna-Maria Freudenreich mit Blick auf die Befristung 31. Januar 2023 gegenüber der Redaktion. Die VdK-Juristin, die Roswitha T. seit Jahren in diesem nervenaufreibenden juristischen Dschungel vertritt und ihr beisteht, ist nun zuversichtlich, dass das VdK-Mitglied nach Jahren des Kampfes doch noch eine volle und dauerhaft unbefristete Erwerbsminderungsrente und wieder einen Schwerbehindertenausweis bekommen kann.

„Der Kampf um meine sozialrechtlichen Ansprüche dauert schon so eine lange Zeit. Das hat mich bislang viel Kraft, Nerven und Energie gekostet. Doch der Glaube an Gerechtigkeit und die Unterstützung von guten Freunden und vom Sozialverband VdK haben mich durchhalten lassen. Ich möchte mit meinem Fall anderen Mut machen durchzuhalten. Daher sage ich laut ‚Eine Mitgliedschaft im VdK lohnt sich auf jeden Fall!‘

Roswitha T., VdK-Mitglied