Wir geben der Mehrheit eine Stimme
Wir geben der Mehrheit eine Stimme Die Zukunft mitgestalten – Die Rolle des VdK in einer veränderten Gesellschaft „Wir geben der Mehrheit eine Stimme“. Mit dieser Überschrift greifen wir auf, dass die zentralen Forderungen des VdK in allen großen Umfragen der letzten Jahre von mehr als zwei Dritteln der Bevölkerung geteilt und unterstützt werden (siehe Anhang). Unsere Ideen und Forderungen sind mehrheitsfähig und geben uns damit eine starke Rolle in der Gesellschaft, die wir mit Selbstbewusstsein ausfüllen. Derzeit beobachten wir einen Prozess von tiefgreifenden, eventuell historischen Veränderungen in diesem Land. Der VdK muss auf diese Entwicklung reagieren und deren Ursachen und Folgen auch im Hinblick auf seine eigene Rolle analysieren. Dazu soll dieser Text einen Beitrag leisten. Allgemein lässt sich ein gefühlter und/oder realer Verlust an Sicherheit beschreiben, ausgelöst zum einen durch die vielen Herausforderungen– Klimawandel, Corona, Russlands Krieg gegen die Ukraine, Nahost-Konflikt und anhaltend hohe Armutsraten, insbesondere unter Kindern und Älteren. Auch die Digitalisierung von immer mehr Lebensbereichen überfordert insbesondere ältere Menschen, aber nicht nur sie. Viele Berufstätige fühlen sich ebenfalls zunehmend unter Druck gesetzt. Ihnen wird eine hohe Flexibilität abverlangt, durch ständige Umstrukturierungsprozesse in den Unternehmen genauso wie durch Wechsel von Wohnort und Arbeitsplatz. Diese faktischen Veränderungen sind gepaart mit einer gesellschaftlichen Spaltung und einer bewusst herbeigeführten öffentlichen Erregungskultur, die zusätzliche Verunsicherungen und auch Spaltungen zur Folge haben. Alles wird immer anstrengender, gleichzeitig geht der Glaube verloren, dass sich diese Anstrengung lohnt. Lebensmittel-, Energie- und Mietpreise sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen, so dass am Monatsende für manche Menschen nichts übrigbleibt, um Rücklagen zu bilden oder auf Wohneigentum zu sparen. Die Infrastruktur bröckelt: Fehlende Kita-Plätze, Streckenstilllegungen, tägliche Pannen und Verspätungen bei Bahn und ÖPNV, hohe Kosten für die Pflege zu Hause und im Heim, monatelanges Warten auf einen Arzttermin – in vielen Fällen das Resultat der Privatisierung zentraler Bereiche innerhalb der Daseinsvorsorge. Während für weite Teile der Bevölkerung die Spielräume immer enger werden, findet eine Konzentration von Reichtum auf wenige Großkonzerne und deren Aktionäre bzw. Eigentümer und auf superreiche Erben statt. Das empfinden viele als zutiefst ungerecht. Die Gesellschaft zerfällt zusehends, und jede einzelne Gruppe, die dabei als Zerfallsprodukt entsteht, will wahrgenommen werden und vor allem eigene legitime und weniger legitime Rechte und Ansprüche durchsetzen. Die Interessen anderer Gruppen werden immer häufiger ignoriert, sie zählen nicht. Der Blick fürs Ganze geht verloren. Gesehen wird viel zu häufig, was trennt, und nicht, was verbindet. Die gegenseitige Abgrenzung ist hart und unversöhnlich: Geimpfte gegen Ungeimpfte, junge Generation gegen „Baby-Boomer“, Land gegen Stadt, Bezieher von Sozialleistungen gegen Niedriglöhner, Menschen mit gegen Menschen ohne Migrationsgeschichte und Ost gegen West. Sprachlosigkeit macht sich breit. Und wenn miteinander geredet wird, dann kommt nicht selten der Vorwurf vor dem Verstehen. Fazit: Diese knappe Beschreibung eines wahrgenommenen, immer stärker die Gesellschaft prägenden Ist-Zustands, die Ergebnisse und Umfragen zu den verschiedenen Wahlen in diesem Jahr und noch viele andere Aspekte sind Zeichen dafür, dass wir nicht einfach so weitermachen können wie bisher, sondern uns mit diesen Veränderungen genauer beschäftigen müssen. Dafür schlagen wir Folgendes vor: Rolle VdK: Wir müssen erklären, worin für viele Menschen die drängendsten Probleme bestehen. Diese kennen wir aus unserer Rechtsberatung. Gleichzeitig müssen wir den schwierigen Spagat schaffen, dringend notwendige sozialpolitische Verbesserungen anzumahnen, bestehende Ungleichheiten und fehlende Teilhabe ganzer sozialer Gruppen anzuprangern und trotzdem auch das Verbindende herauszuarbeiten. Es gibt Ungerechtigkeiten in diesem Land. Aber es gibt auch funktionierende soziale Sicherungssysteme. Sie sind das Verbindende in unserer Gesellschaft; auf sie sind fast alle Menschen im Laufe ihres Lebens angewiesen. Solidarität und sozialer Zusammenhalt gehen uns alle an und werden von uns allen getragen. Zum Beispiel, indem wir Steuern zahlen. Das tun vor allem diejenigen, die arbeiten, vom Niedriglohnbezieher bis zum Besserverdienenden. Im Gegensatz dazu können viele große Unternehmen und Kapitalgesellschaften ganz legal Steuern vermeiden oder auf ein Minimum reduzieren. Dasselbe gilt für sehr große Vermögen. Deshalb brauchen wir endlich eine gerechte Steuergesetzgebung. Auch pflegende Angehörige, Familien mit Kindern, engagierte Ehrenamtliche und einfach alle, die sich für andere einsetzen, tragen diese Gesellschaft. Sie gilt es zu unterstützen und zu fördern, damit sie ihre wichtige Arbeit leisten können. Aber es darf nicht sein, dass ihr Engagement die Lücken füllt, die die Privatisierung wesentlicher Bereiche innerhalb der Daseinsvorsorge hinterlassen hat. Der Sozialverband VdK tritt all denen entgegen, die sich in Abgesängen auf den Sozialstaat gefallen, die das Ich vor das Wir stellen und dem Einzelnen die ganze Verantwortung für sein Schicksal zuschreiben und damit die Entsolidarisierung in dieser Gesellschaft vorantreiben. Wir treten ein für einen funktionierenden (Sozial-)Staat. Einen starken Staat, der es einerseits schafft, Menschen zu schützen und ihre berechtigten Ansprüche zu erfüllen und andererseits geltendes Recht durchsetzt. Die arbeitenden Menschen sind die Basis des Wohlstands von uns allen. Noch nie zuvor gab es so viele Erwerbstätige in Deutschland wie jetzt, darunter Millionen mit Migrationshintergrund. Ihre Produktivität bringt die Unternehmensgewinne hervor und finanziert die öffentliche Verwaltung; mit ihren Beiträgen zur Sozialversicherung sichern sie die Lebensgrundlage für Menschen in Not. Deshalb müssen sie sich selbst auch darauf verlassen können, dass dieses Netz funktioniert und sie trägt, im Alter, bei Krankheit oder Pflegebedürftigkeit. Das haben sie sich durch harte Arbeit verdient. Dieses Bedürfnis nach Absicherung eint uns. Nach Jahren der tatsächlichen oder behaupteten Spaltung ist es Zeit, sich an dieses gemeinsame Interesse zu erinnern und wieder zusammenzufinden. Als größter Sozialverband Deutschlands kann der VdK in diesem Prozess eine wichtige Rolle spielen. Mit über 2,2 Millionen Mitgliedern sind wir größer als alle Parteien zusammen. Wir müssen uns auf unsere eigene Stärke besinnen und den verloren gegangenen Glauben an gesellschaftlichen Fortschritt neu beleben. Außerdem haben wir Lösungen zu bieten, die alle miteinbeziehen und die von großen Teilen der Bevölkerung befürwortet werden. So bestätigen uns Umfragen seit mehr als zehn Jahren, dass die zentralen Forderungen des VdK – etwa eine gute Struktur für die Pflege, eine Rentenversicherung für alle Erwerbstätigen, eine einheitliche Krankenversicherung sowie eine gerechte Steuerpolitik – von einer großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger getragen werden. Diese Forderungen sprechen Menschen aus allen gesellschaftlichen Gruppen und Wähler/Wählerinnen aller Parteien an. Mit diesen Themen können wir Solidarität fördern und der gesellschaftlichen Spaltung entgegenwirken. Mitgestalten im Sinne des VdK bedeutet, die Verantwortlichen in diesem Land mit unseren Forderungen zu konfrontieren und dafür zu sorgen, dass sie die Lebensverhältnisse der Menschen konkret und spürbar verbessern. Das ist unser Beitrag und unsere Aufgabe, um Zusammenhalt zu stärken.