SBVdirekt Ausgabe 01/24 Gemeinschaftliche Teilhabe – Soziale Inklusion auch am Arbeitsplatz Teilhabe am sozialen Leben im Betrieb Interview mit Tanja Lilienblum-Steck 1

Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, willkommen zur ersten Ausgabe der SBVdirekt in diesem Jahr. Das Jahr 2024 begann damit, dass Millionen von Men - schen für Demokratie und Frieden auf die Straße gingen. Auch wer vorher dachte: „Mich schockiert bei dieser Partei nichts mehr“, wurde von dem Geheimtreffen zwischen Unternehmern, Afdlern und an - deren Nationalisten überrascht. Neben unseren Sorgen um gesellschaftlichen Zusammenhalt, Demokratie und Frieden sind aber auch Schwerbehindertenver - tretungen ganz direkt betroffen. Denn wo Faschisten und Rechtspopulisten an Einfluss gewinnen, beobachten wir immer auch Versuche, die Rechte von Arbeitneh - merInnen und auch die Arbeitnehmerver - tretungen zu schwächen. Wir bekommen in diesem Jahr außerdem ein Rentenpaket, welches keine zufrieden - stellenden Entlastungen für RentnerInnen bietet. Und das, obwohl die Rentenkasse mit ihren Ersparnissen bereits die Ober - grenze der Nachhaltigkeitsrücklage über - schritten hat. Stattdessen werden der - Rentenkasse weiterhin jährlich 38 Milliar den Euro entzogen, indem versicherungs - fremde Leistungen nicht vollständig vom Bund erstattet werden. Trotzdem möchten wir optimistisch in das neue Jahr und in diese Ausgabe der SBVdirekt starten, denn selten waren in Deutschland so viele Menschen aktiv auf der Straße für Demokratie, für Frieden und für soziale Gerechtigkeit. „Mit mir bekommen Sie eine Mitarbeite - rin, die nicht so viel redet und abgelenkt wird.“ Dieser Satz findet sich auf der Website des Inklusionspreises für die Wirtschaft und zitiert die Bewerbung einer gehörlosen Frau. Menschen mit Behinde - rung verkaufen ihre eigene Ausgrenzung als Einstellungsgrund. Das ist aufgrund der Arbeitsmarktsituation für Menschen mit Behinderung so nachvollziehbar wie traurig. Wirkliche Teilhabe sieht selbstver - ständlich anders aus. Als Start in das Jahr 2024 gehen wir des - wegen dem Thema der sozialen Teilhabe im Betrieb nach. Denn zur Arbeit gehören nicht nur die Zeit am Arbeitsplatz, sondern auch die Pausen, der kleine Austausch am 3

Wasserspender und die Betriebsausflüge. Unsere Autorin Nicole Ziese war dafür im Gespräch mit Rosemarie Bietz und Stefan Fleischmann aus der Schwerbehinderten - vertretung von Nokia. Neben einer grund - sätzlichen Begriffsbestimmung erzählen die beiden uns von ihren Erfahrungen im eigenen Unternehmen. Außerdem freue ich mich sehr, dass mei - ne Frau Tanja Lilienblum-Steck uns in ei - nem Interview einen Einblick in ihre Arbeit als Dolmetscherin für Gebärdensprache bietet. Mit fast zwanzig Jahren in ihrem Beruf bietet sie tiefe Einblicke, auch in die Entwicklung der Sprache und der Tätigkeit der DolmetscherInnen in Deutschland. Da auch dieses Jahr wieder unsere SBV-Konferenz in Heilbronn stattfindet, bieten wir Ihnen bereits einen kleinen Vor - geschmack auf die Themen, die Sie am 10. Juli 2024 erwarten. Unser Fokus liegt dieses Jahr auf der Beteiligung der SBV bei personellen Angelegenheiten. Mehr dazu im Heft und natürlich im Juli in Heil - bronn. Nun will ich Sie aber nicht länger vom Lesen abhalten und wünsche Ihnen eine interes - sante Lektüre mit unserer SBVdirekt. Ihr Joachim Steck VdK-Landesobmann der Schwerbehinderten- Vertrauenspersonen beim Sozialverband VdK Baden-Württemberg e.V. 5

14 24 35 30 W i r f r e u e n u n s ü b e r I h r F e e d b a c k o d e r I h r e A n r e g u n g e n z u S B V d i r e k t a n f e e d b a c k @ v d k . d e ! 34 So hilft der VdK Dank VdK ein höherer Grad der Behinderung 35 VdK-Infoportal „VdK gibt dir Recht!“ – Expertenvideos zum Sozialrecht Webseminare: Die nächsten Termine 38 Gerichtsentscheidungen Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-518/22 AP Assistenzprofis 7

A m 1 0 . J u l i 2 0 2 4 w i e d e r i n l b r o n n H e i 9

11:15 Uhr Aktivpause 11:30 Uhr Unterstützung durch den Integrations - fachdienst (IFD) 12:15 Uhr Mittagspause und Besuch der Gesund - heits- und Rehamesse 13:45 Uhr myAbility.jobs | Jobbörse für Menschen mit Behinderung in Österreich Elke-Gudrun Schmidt Teamleitung Informationsfachdienst (IFD) Heilbronn Integrationsfachdienste (kurz: IFD) kön - - nen bei der Durchführung von Maßnah men zur Teilhabe schwerbehinderter Men - schen am Arbeitsplatz beteiligt werden. - Elke-Gudrun Schmidt gibt einen praxisna hen Überblick zu folgenden Themen: Berufliche Orientierung und passende Übergänge Beratung und Begleitung im Arbeitsleben Angebote für ArbeitgeberInnen 11 Stefanie Kirwald Inclusion Network Development myAbility Social Enterprise GmbH In Österreich erfolgreich: Das Jobportal für Menschen mit Behinderungen. Stefa - nie Kirwald berichtet aus der Praxis und zeigt auf, wie die Vermittlung von Men - schen mit Behinderung in den ersten Ar - beitsmarkt gelingt. l s t ä n d i g e D a s v o l P r o g r a m m k ö n n e n S i e h i e r a n s c h a u e n

Anmeldung zur SBV-Konferenz 2024 Teilnahmegebühr: 159,- Euro inkl. Tagungsmaterial, Mittagessen und Tagungsgetränken. Die Anmeldung erfolgt digital: Jetzt anmelden! Veranstaltungsort: Harmonie Heilbronn, Allee 28, 74072 Heilbronn Anfahrt Anerkannte Fortbildungsveranstaltung Die SBV-Konferenz vermittelt Kenntnisse, die für die Arbeit der Schwerbehinder - tenvertrauenspersonen, Mitglieder von Betriebs- und Personalräten sowie der Mitarbeitervertretungen erforderlich sind. Alle Teilnehmenden erhalten im An - schluss an die Bildungsveranstaltung ein Teilnahmezertifikat für die Fortbildung. Der Arbeitgeber trägt die Kosten der Freistellung und der Teilnahmegebühr von 159,- Euro sowie sonstige anfallende Kosten (gem. § 179 Abs. 4 SGB IX i. V. mit § 179 Abs. 8 SGB IX, § 37 Abs. 6 BetrVG und § 46 Abs. 6 PersVG). Die Schulung wird mit 7 Stunden für die CDMP-Weiterbildung (Weiterbildung für zertifizierte Disability Manager) durch die Deutsche Gesetzliche Unfallversiche - rung anerkannt. 13

derungen sind angeboren oder entstehen im ersten Lebensjahr, wie das Statisti - sche Bundesamt ermittelt hat. Unfälle, Berufskrankheiten und übrige Ursachen machen einen Anteil von sieben Prozent aus. Das bedeutet, dass 88 Prozent der Behinderungen durch Krankheiten verur - sacht werden. Oder anders formuliert: Die meisten Menschen mit Behinderung waren bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ArbeitnehmerInnen ohne Behinderung. In Anbetracht der Tatsache, dass in Deutschland ein akuter Fachkräftemangel herrscht, ist es aus unternehmerischer Sicht wichtig, dafür zu sorgen, dass Ar- beitnehmerInnen – auch wenn bei ihnen eine Behinderung auftritt – weiterhin im Unternehmen arbeiten können. Dies be - trifft einerseits die reinen strukturellen Rahmenbedingungen wie Rampen, be - hindertengerechte Toiletten und der an die individuellen Bedürfnisse angepasste Arbeitsplatz. Wenn sich Inklusion im Un - ternehmen jedoch nur auf diese Bereiche bezieht, bedeutet es einen Ausschluss der Menschen mit Behinderung von al - len sonstigen betrieblichen Aktivitäten. Da ein Arbeitsplatz jedoch weit mehr als der Ort ist, an dem ein Individuum seine Arbeit ableistet, ist die Teilhabe am so - zialen Leben im Betrieb von essentieller 15

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Auswahl unserer Dual Studierenden. Wir legen großen Wert darauf, jungen schwer - behinderten Menschen eine Perspektive zu bieten. Um die nötigen Voraussetzun - gen für soziale Teilhabe im Betrieb zu schaffen, ist das Thema Barrierefreiheit besonders wichtig, und das nicht nur im baulichen Sinne. Übrigens haben wir auch für große Menschen extra Arbeitsplätze eingerichtet. Bei uns ist es einfach völlig normal, verschieden zu sein. Nokia hat 2020/2021 ein neues Gebäu - de errichtet. In welcher Form wurde das Thema soziale Teilhabe im Betrieb beim Neubau berücksichtigt? Barrierefrei über die vorgeschriebenen Normen hinaus zu sein! Das bedeutet, entsprechend den Bedürfnissen unserer Schwerbehinderten haben wir diverse Erleichterungen einbauen können. Wir haben ein Open-Office Konzept. Alle not - wendigen Türen sind mit automatischen Türöffnern versehen, alle Eingänge, die SB-Toiletten und die Zugänge von den Treppenhäusern auf die Stockwerke. Ein weiteres Beispiel sind unsere Parkplätze für Rollstuhlfahrende. Sie sind überdacht und ermöglichen einen regengeschützten Umstieg vom Auto in den Rollstuhl. Wer sitzt schon gern den ganzen Tag im nas - sen Rollstuhl? Hat dies auch zu einem (vermehrten) Um - denken innerhalb des Betriebes insgesamt geführt? Sprich: War die Beschäftigung mit dem Thema auch ein Impulsgeber für andere Bereiche? Ja, durchaus. Unser neuer Standort wur - de als „best practice“ international vorge - stellt. Konzernweit wurde ein Kriterienka - talog entwickelt, der Standorte nicht nur auf ein bestimmtes Level der Barrierefrei - heit einstuft, sondern auch die Infrastruk - tur unserer Gesundheitseinrichtungen de - finiert. Die Umbauten an anderen Standorten in Deutschland nutzen jetzt die Erfahrungen, die wir in Stuttgart gemacht haben. Sommerfeste, teambildende Maßnahmen und Co.: Wie wird soziale Teilhabe bei No - kia in diesen Bereichen gelebt? An unseren Standorten gibt es jedes Jahr Sommerfeste und Familientage. Darüber hinaus finden diverse Sportevents oder „Gaming Nights“ statt, an denen Mitarbei - tende mit und ohne Behinderung je nach ihren Fähigkeiten teilnehmen können. Eine schwerbehinderte Kollegin hat ein Bogenschießen für Interessierte organi - 19

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- schleuse durch eine völlig dunkle Ausstel lung. Sie führen zu bekannten Stuttgarter - Orten, die sich im Salon Sophie durch in tensives Hören, Riechen, Fühlen und auch - Schmecken erkennen lassen können. Da bei erleben die Besuchenden nicht nur eine besonders sinnliche Perspektive auf - ihre Stadt, sondern lernen auch die Her ausforderungen kennen, die ein Alltag in - Stuttgart für Menschen mit Seheinschrän kung bedeutet. Die Ausstellung wurde konsequent mit Sehbehinderten entwickelt und kuratiert. Sie kann noch bis 5. Mai, ausschließlich - im Rahmen einer Führung, besucht wer den. Weitere Informationen Stadtpalais Stuttgart „Blind Date mit Stuttgart“ – Erle be deine Stadt im Dunkeln - Augen zu und ab durch die Stadt. Wie neh - men Menschen mit Seheinschränkung Stuttgart war, welche Herausforderungen haben sie zu meistern? Beim „Blind Date mit Stuttgart“ im StadtPalais – Museum - für Stuttgart können Besuchende dazu Er fahrungen sammeln. - Blinde und sehbehinderte Guides beglei - ten dazu kleine Gruppen hinter einer Licht stadtmobil Carsharing: Neue Autos für Rollstuhltransport „Wir haben es geschafft, mit vereinten Kräften ein barrierefreies Angebot zu schaffen, das aus unserer Sicht eine - Lücke in der Region füllt”, sagt stadtmo bil-Vorstand Miriam Caroli. - Die Anfragen nach barrierefreien Angebo - ten haben in der Vergangenheit zugenom men, sei es von Privatpersonen oder auch gewerblichen Nutzern wie Pflegediensten, - städtischen Einrichtungen oder Fachver bänden für Menschen mit Behinderung. Drei Fahrzeuge stehen in Mannheim und Heidelberg für Carsharing-KundInnen zur Verfügung und können wie gewohnt - per App reserviert werden. Eine Bedie - nungsanleitung für die fachgerechte Roll stuhlverladung finden die KundInnen im - Fahrzeug: Ein Video beschreibt die Ar beitsabläufe im Einzelnen. Es ist wichtig, dass sich die KundInnen im Vorfeld mit der Materie befassen. Stadtmobil Rhein-Neckar AG Weitere Informationen 23

Begeistert von der Gebärdensprache und deren Kultur Interview mit Tanja Lilienblum-Steck Tanja Lilienblum-Steck ist Dolmetscherin für Deutsche Gebärdensprache und Mediato - rin. Seit rund 20 Jahren ist sie in dem Beruf tätig und verzeichnet nachhaltige Verände - rungen. Doch Inklusion ist für sie oft noch mehr ein Schlagwort denn gelebte Realität. Für gehörlose Menschen gibt es bis heute noch viel zu viele Barrieren – sowohl im öf - fentlichen als vor allem auch im privaten Umgang. Lesen Sie hier, wie sie die Gebärden - sprache wahrnimmt, was sie an dem Beruf begeistert und wo aus ihrer Sicht bis heute noch Barrieren bestehen. Warum haben Sie sich dazu entschieden, - Gebärdensprachendolmetscherin zu wer den? Dass ich jetzt als Dolmetscherin für Ge - bärdensprache arbeite, verdanke ich tat - - sächlich einigen glücklichen Begegnun gen und Zufällen. Ich bin vor fast vierzig - Jahren zum ersten Mal in Kontakt mit tau ben Menschen und der Gebärdensprache gekommen und war sofort begeistert von der Sprache und der Kultur. Allerdings war - die Situation in den 90ern noch eine völ lig andere als heute. In Deutschland hatte man gerade erst begonnen, die Deutsche Gebärdensprache als eigene Sprache zu erforschen, und an eine Anerkennung war noch lange nicht zu denken. - Ich war erst einige Jahre in einem ande ren Beruf tätig und habe dann 2001 eine - nebenberufliche Qualifizierung und da - nach die staatliche Prüfung zur Dolmet scherin für Deutsche Gebärdensprache absolviert. Ich bin neugierig und offen, freue mich über Herausforderungen und liebe es, mit Menschen zu arbeiten. All das kann ich in meinem Beruf als Dolmetscherin leben. Wie sieht die Ausbildung aus? In Deutschland gibt es meines Wissens derzeit sieben Standorte für ein grund - ständiges Studium: Hamburg, Magde - burg, Zwickau, Heidelberg, Landshut, Ber - lin und Köln. Ausgebildet wird man in Deutscher Gebär - densprache, Deutsch, Dolmetschtechnik (simultan und konsekutiv), Deaf Studies, Rechtliche Grundlagen, Berufsethik etc. Was sind die Inhalte Ihrer Tätigkeit? Was macht diesen Beruf so besonders? Ich arbeite hauptsächlich im Arbeits - leben, also bei Teamsitzungen, Betriebs - versammlungen und Schulungen, im Bildungsbereich, zum Beispiel an Hoch - schulen und Schulen in der Oberstufe, 25

Was hat sich in der Gesellschaft bereits - zum Guten (oder zum Schlechten) verän dert, seit Sie in dem Beruf tätig sind? In den über zwanzig Jahren, in denen ich bereits in diesem Beruf arbeite, hat sich - einiges getan. Die Deutsche Gebärden - sprache ist 2002 endlich als eigenständi ge Sprache anerkannt worden; es wurden - gesetzliche Regelungen geschaffen, so dass taube Menschen in vielen Bereichen Dolmetschende bezahlt bekommen. Leider gilt dies immer noch nicht für den - privaten Bereich – egal, ob es die Fami lienfeier betrifft, ehrenamtliches Engage - ment oder auch die aktive Teilhabe im nachbarschaftlichen Gefüge. Mittlerweile werden immer mehr Veran - staltungen als barrierefrei beworben. Al - lerdings verstehen darunter viele Leitlini - en für Menschen mit Sehbehinderungen oder Rampen für RollstuhlnutzerInnen und vergessen dabei, dass für taube Menschen Barrierefreiheit etwas anderes bedeutet, nämlich ein Angebot in Gebär - densprache oder die Bereitstellung von Schriftdolmetschung. 27

Es ist immer noch viel zu selten, dass taube Menschen die Chance haben, ihre Potenziale zu zeigen und zu entfalten. 29

2015 heirateten sie. Ihr Traum von einer gemeinsamen Zukunftsperspektive in Deutschland schien sich zu erfüllen, doch kurz vor der Hochzeit verlor Wlas seine Stelle als technischer Bauzeichner. Die Firma seines Arbeitgebers meldete Insol - venz an, und Wlas blieb nur der Gang zum Arbeitsamt. Die Stellensuche gestaltete sich schwierig, denn noch immer scheu - en sich Arbeitgeber davor, gehörlose Men - schen in ihr Team aufzunehmen. Zu un - berechenbar erscheinen die möglichen Probleme durch Missverständnisse in der Kommunikation. Nach einjähriger Suche bekam Wlas die Gelegenheit, sich bei Amazon vorzustellen. Im November hatte er seinen ersten Arbeitstag. Und nicht nur er – gemeinsam mit ihm trat auch Yuliia eine zunächst befristete Arbeitsstelle bei Amazon an. Als „Problem Solver“ bearbei - tet Wlas bei Amazon Fehler im Warenein - gang, und Yuliia verteilt die angelieferte Ware an die anderen europäischen Ama - zon-Standorte. Im Oktober 2017 erhielten beide einen unbefristeten Vertrag. „Die Arbeit macht mir Spaß. Ich habe neue Er - fahrungen gesammelt und bin sehr moti - viert, mich weiterzuentwickeln und weiter aufzusteigen“, sagt Wlas. - Von der Langzeitarbeitslosigkeit zur siche ren Zukunftsperspektive Yuliia und Wlas sind nur zwei von insge - samt 32 gehörlosen Menschen bei Ama - zon in Werne. Bernd Kollmer ist seit 2013 Schwerbehindertenvertreter. In dieser Zeit hat sich die Anzahl der bei Amazon Werne beschäftigten Menschen mit Behinderung mehr als verachtfacht – von 19 auf 162. Bernd kennt jeden von ihnen persönlich. Der 57-Jährige weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig die Loyalität des Arbeitgebers ist, wenn es um die Inklusion von Mitarbei - tern mit Handicaps geht. Er selbst hat sie damals bei seinem Vorgesetzten erlebt, als er vor einigen Jahren ein künstliches Kniegelenk bekam und während der Reha für mehrere Monate ausfiel. Seitdem hat er einen Grad der Behinderung von 30. „Viele Menschen mit Schwerbehinderung kommen aus der Langzeitarbeitslosigkeit und haben kaum Chancen, eine Arbeits - 31

gehört, die Arbeitsplätze von Menschen mit Hörbehinderung zu sichern, ihnen bei - Problemen an ihrer Arbeitsstelle zu hel - fen und sowohl ihre als auch die Interes sen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. - Martin Lauff hat dafür gelernt, in Gebär densprache zu kommunizieren. Jeden - Mittwoch trifft er sich mit Bernd bei Ama - zon. Gemeinsam steuern sie alle Arbeits bereiche im Logistikzentrum an, in denen hörbehinderte Menschen arbeiten, und fragen jeden einzelnen, wo Unterstützung - benötigt wird. „Diese regelmäßigen Termi ne machen sich bezahlt, denn sie fördern - das Vertrauen und beugen Missverständ nissen vor, die zwischen Hörenden und Gehörlosen in der Kommunikation nicht - selten entstehen können. Die hörbehin derten Kollegen sind positiv überrascht, wie viel Begleitung sie bei Amazon durch - die Vorgesetzten und Kollegen bekom men, sei es dabei, Fahrgemeinschaften zu bilden, Schichten zu tauschen oder die Arbeitszeiten individuell abzustimmen“, berichtet Martin Lauff. - Kreativität bei der individuellen Arbeits platzgestaltung Der 25-jährige Fatih ist knapp 1,20 Meter groß. Als er sich bei Amazon vorstellte, überlegte Bernd gemeinsam mit ihm, in welchem Bereich bei Amazon er arbeiten könnte. Die Idee: Fatih übernimmt die Verantwortung für die Qualitätssicherung - und Kontrolle der Ware in den beiden un teren Lager-Regalen. „Das war eine echte Win-Win-Situation für mich und für meine - Kollegen: Ich hatte eine interessante Tä - tigkeit, die ich mit meiner Größe gut aus üben konnte. Und meine Kollegen haben sich gefreut, mich im Team zu haben, denn sie mussten sich nicht mehr bücken und konnten sich nun auf die oberen Regale - konzentrieren“, erinnert sich Fatih mit ei nem Augenzwinkern. Inzwischen ist Fatihs Verantwortungsbereich gestiegen: Heute ist er zuständig für die Fehleranalyse und - die Auswertung von Statistiken. Ein hö - henverstellbarer Tisch hilft ihm dabei, sei nen Arbeitsplatz am Computer bequem einzurichten. Und auch Yuliia und Wlas - haben sich weiterentwickelt. Als „Instruc tor“ weisen sie neue gehörlose Kollegen in die Arbeitsabläufe ein. „Wir können uns - als Gehörlose untereinander perfekt ver - ständigen. Und die neuen Kollegen freu en sich, dass sie bei Amazon schon am - ersten Tag ohne Kommunikationsproble me einsteigen können“, sagt Yuliia. Der Standortleiter von Amazon Werne, Hrvoje Salamunovic, weiß die hohe Motivation - der Kollegen mit Behinderung zu schät zen. „Die Kollegen sind für uns nicht nur - wertvolle, sondern auch vollwertige Mitar beiter. Aus diesem Grund haben wir uns bei Amazon dazu entschieden, auf die - staatliche Förderung für die Neueinstel lung behinderter und schwerbehinderter Menschen zu verzichten.“ Auch das ist gelebte Chancengleichheit. Amazon Stories Team 33

VdK-Infoportal „VdK gibt dir Recht!“ Aktuelle Kurzvideos Vorzeitige Rente bei Behinderung – das sind Ihre Rechte! Menschen mit Schwerbehinderung haben die Möglichkeit, früher in Rente zu gehen. Hier im Video erläutert VdK-Jurist Ronny - Hübsch die Voraussetzungen der Schwer behindertenrente und die finanziellen Auswirkungen auf die Rentenhöhe. Wie bekomme ich einen Behinderten - ausweis und was bringt er mir? Hier erläutert der VdK-Sozialrechtsexperte - Schritt für Schritt, wie man einen Schwer behindertenausweis erhält, was es dabei - zu beachten gibt und welche Unterstüt zungen und Leistungen damit verbunden - sind. Häufige Fehler und Missverständ - nisse rund um den Schwerbehinderten ausweis und die Antragstellung werden beleuchtet. Durchblick Teil-EM-Rente: Ansprüche, Leistungen und Absicherung! Welche Voraussetzungen erfüllt sein müs - sen, um Anspruch auf die Teil-EM-Rente - zu haben, ist das Thema dieses Erklär - videos. Dabei werden Leistungen im Ver - gleich zur sogenannten „vollen Erwerbs minderungsrente“ erläutert und ein Blick - auf die Berechnung der Teil-EM-Rente ge - worfen, ebenso wie auf das Thema Hinzu verdienst und soziale Absicherung. 35 Yo u T u b e - K a n a l j e t z t a b o n n i e r e n ! Expertenvideos zum Sozialrecht In 35 hauptamtlich besetzten VdK-Beratungsstellen in Baden- Württemberg stehen JuristInnen Hilfesuchenden bei allen Fragen rund um das Thema Sozialrecht zur Seite. In der YouTube-Serie „VdK gibt dir Recht!“ stellt der Sozialverband VdK Baden-Würt - temberg Fragen und Themen zusammen, die in der Beratung besonders häufig zur Sprache kommen. Diesen Themen geht - VdK-Jurist und Sozialrechtsexper te Ronny Hübsch im Rahmen von Kurzvideos nach und beantwortet hier die relevantesten Fragen.

„Ihr gutes Recht liegt uns am Herzen.“ Jetzt Mitglied werden in Deutschlands größtem Sozialverband. Sozialrechtsberatung Mit uns bekommen Sie Recht! Sozialpolitik Gemeinsam sind wir stark! Beratung und Vertretung im Sozialrecht vor Starke Lobby durch sozialpolitische Sozialbehörden und Sozialgerichten VdK-Patienten- und Wohnberatung Ansprechpartner in Ihrer Nähe und aktuelle Fachinformationen Interessenvertretung Unsere zentrale Themen sind Rente, Gesundheit, Pflege, Barrierefreiheit und Armut. Solidargemeinschaft Ehrenamt ist Ehrensache! Attraktive Serviceleistungen Damit wird Ihr Alltag leichter. Ehrenamtliches Engagement und aktives Vereinsleben Reisen in alle Welt mit VdK-Reisen Attraktive Angebote durch namhafte Viele Engagementmöglichkeiten Kooperationspartner Wir sind für Sie da: Sozialverband VdK Baden-Württemberg e.V. Johannesstraße 22 | 70176 Stuttgart Telefon: 0711 619 56-0 baden-wuerttemberg@vdk.de www.vdk-bawue.de Im Mittelpunkt der Mensch. 37

§Im vorliegenden Fall ist es - nach den deutschen Rechts - vorschriften ausdrücklich vor geschrieben, den individuellen Wünschen von Menschen mit - Behinderungen bei der Erbrin - gung von Leistungen der per - sönlichen Assistenz zu entspre chen. Folglich müssen die Betreffenden in der Lage sein, zu entscheiden, wie, wo und mit wem sie leben. - In diesem Kontext lässt sich vernünftiger - weise erwarten, dass eine persönliche As sistentin, die derselben Altersgruppe wie der Mensch mit Behinderung angehört, - sich leichter in dessen persönliches, so ziales und akademisches Umfeld einfügt. Die Festlegung einer Altersanforderung kann daher im Hinblick auf den Schutz des Rechts auf Selbstbestimmung des betreffenden Menschen mit Behinderung notwendig und gerechtfertigt sein. - Hinweis: Mit einem Vorabent scheidungsersuchen haben die Gerichte der Mitgliedstaaten die Möglichkeit, dem Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsstreits, - über den sie zu entscheiden ha - ben, Fragen betreffend die Aus legung des Unionsrechts oder die Gültigkeit einer Handlung der Union vorzulegen. Der Gerichtshof entscheidet dabei nicht den beim nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit. Dieser ist unter Zugrundelegung der Entscheidung des Gerichtshofs vom nationalen Gericht zu - entscheiden. Die Entscheidung des Ge richtshofs bindet in gleicher Weise andere - nationale Gerichte, wenn diese über ver gleichbare Fragen zu befinden haben. Den Volltext des Urteils finden Sie hier 39